Gewitterlage: Potential, Vorwarnung und kurzfristige Warnung vor Gewittern

Im Auftrag des Bundes betreibt MeteoSchweiz ein rund um die Uhr verfügbares Messnetz und Vorhersagesystem, was die Erstellung von Prognosen und Warnungen ermöglicht.

Diese tragen massgeblich zur Sicherheit der Schweizer Bevölkerung sowie zum reibungslosen Funktionieren der Wirtschaft und Gesellschaft bei.

Unter den Gefahren, für die MeteoSchweiz Warnungen ausgiebt, sind Gewitter die schwierigsten zu vorhersagenden Phänomene. Der heutige Blog erläutert das bei MeteoSchweiz geltende Gewitter-Warnverfahren.

Zeichnet sich eine Unwetterlage ab, gibt MeteoSchweiz Vorwarnungen und Warnungen heraus, um die Behörden und die Bevölkerung über die meteorologischen Risiken zu informieren. Dazu analysieren die Vorhersageteams jede potenziell gefährliche Situation und beschreiben anschliessend mit einem probabilistischen Ansatz den meteorologischen Kontext.


(MeteoSchweiz)

Liegt die Wahrscheinlichkeit für heftige Gewitter bei über 40%, wird eine Vorwarnung an die Bevölkerung ausgegeben und zusätzlich in einer virtuellen Sitzung die Behörden informiert. Dort werden die Behörden in die Warnlage aus Meteorologischer Sicht eingewiesen und haben die Möglichkeit Fragen zu stellen.

Aufgrund der Komplexität der Gewittervorhersage, werden die Vorwarnungen für Grossregionen wie zum Beispiel das Mittelland, den Jurabogen oder die Voralpen ausgegeben. Eine Vorwarnung bedeutet daher nicht, dass alle bewarnten Kleinregionen tatsächlich von Gewittern getroffen werden, sondern dass die Wahrscheinlichkeit dafür bei mindestens 40% liegt. Zeitlich decken die Vorwarnungen das gesamte Ereignis ab und beinhalten meistens eine verkürzte Periode maximaler Intensität.

Es gibt zwei Gefahrenstufen für Gewittervorwarnungen: Stufe 3 und 4. Die möglichen Gefahren der beiden Stufen sind in folgender Grafik festgehalten.


(MeteoSchweiz)

Das weitere Warnverfahren für Gewitterlagen unterscheidet sich von dem anderer Unwetter. Bei Warnungen vor Wind, Regen, Schnee oder Hitze muss nach einer Vorwarnung eine Warnung folgen, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit 70% erreicht, andernfalls wird die Vorwarnung aufgehoben. Dies erfolgt in einem Zeitraum von 12 bis 24 Stunden vor dem Ereignis. Im Falle von Gewittern bleibt die Vorwarnung allerdings bis zum Ende des Zeitraumes bestehen.

Zusätzlich zu dieser Gewittervorwarnung wird bei MeteoSchweiz kurzfristig vor entstehenden oder herannahenden Gewitterzellen gewarnt, welche innerhalb der nächsten 60 Minuten an einem Ort erwartet werden. Dabei wird vollautomatisch vor Gewitterzellen der Gefahrenstufe 3 (starkes Gewitter) oder 4 (sehr starkes Gewitter) in einer spezifischen Region gewarnt. Diese Warnungen werden direkt an die Behörden sowie an die Öffentlichkeit über die Website und via Push-Benachrichtigungen in der MeteoSchweiz-App gesendet. Die Ausdehnung und Verlagerung einzelner Gewitterzellen wird alle 5 Minuten aufdatiert und im automatischen System für Gewitterwarnungen der MeteoSchweiz rund um die Uhr überwacht.

Komplexe Phänomene

Die physikalischen Prozesse hinter Gewittern und das Zusammenspiel derer gehören zu den komplexesten in der Meteorologie. Es spielen oft eine Vielzahl atmosphärischer «Zutaten» mit. Der vertikale Verlauf von Temperatur, Windrichtung und -Geschwindigkeit sowie der Feuchtigkeit in der Atmosphäre sind nur ein paar der Beispiele die mitspielen. Aber unter anderem auch Faktoren wie Ausdehnung der Schneedecke in den Alpen, Zustand der Vegetation oder Beschaffenheit der Orographie können entscheidend sein.

Gewitter entwickeln sich meist innert kürzester Zeit und gelten als kleinräumiges Phänomen. Sie können sich an Ort und Stelle bilden, dort auch ausregnen oder aber auch sich schnell verlagern. All dies erschwert oft eine genaue Prognose.

Ablauf einer Warnsituation bei Gewittern

Wird eine Vorwarnung für das Auftreten von verbreitet heftigen Gewittern herausgegeben, so werden in der Folge die jeweils betroffenen Behörden für ein virtuelles Briefing von den Vorhersageteams der MeteoSchweiz eingeladen. Dieses Briefing findet nach Ausgabe einer Vorwarnung täglich statt, bis die Warnlage zu Ende geht. So wird die Entwicklung der Wetterlage, sowie deren Unsicherheiten an die Behörden getragen.

Bei diesen Briefings werden Behörden von der MeteoSchweiz, teils unter Beisitz vom BAFU (Bundesamt für Umwelt) in die meteorologische Lage eingewiesen. Es werden die entscheidenden Vorhersageelemente wie Niederschlagsmengen, Windböen, Hagelschlag, sowie deren räumliche Verteilung und zeitlicher Ablauf, aber auch deren Unsicherheiten besprochen und offene Fragen geklärt.


Vorhersageraum von MétéoSuisse in Genf. (MeteoSchweiz)

Zusätzlich zum oben erwähnten automatischen System wird während der gesamten Dauer der Gewitterwarnlage, die kurzfristige Entwicklung der Situation von jedem der regionalen Zentren aus überwacht. Man nennt dies Nowcasting. Die Meteorologen und Meteorologinnen analysieren und überwachen die Radar- und Satellitenbilder sowie die Messdaten der Stationen. Somit sind wir jederzeit in der Lage, gezielte Unterstützung für Partner und Kunden zu leisten oder zusätzliche Warnungen für betroffene Regionen auszulösen, falls das automatische System nicht erwartungsgemäss funktionieren sollte. Des Weiteren gibt die MeteoSchweiz auch andere kurzfristige Warnungen wie Wind- oder Sturmwarnungen für Seen und Flugplätze aus. Diese sogenannten Objektwarnungen stehen oft in engem Zusammenhang mit heftigen Gewittern.

Ist die Gefahr vor verbreitet heftigen Gewittern vorüber, wird die Vorwarnung aufgehoben. Jede Warnlage der Stufe 3 oder höher (nicht nur bei Gewittern) wird im Nachgang von der MeteoSchweiz analysiert und gewertet. Dies ermöglicht uns kontinuierlich Verbesserungen in unsere Warnabläufe zu integrieren und aus allfälligen Fehleinschätzungen zu lernen. Dies trägt massgebend zur Verbesserung unserer Dienstleistungen bei.

Vergangenen Freitag, den 28. Juni 2024, wurde das Gewitterpotenzial als sehr hoch eingestuft. Dies hat uns dazu bewegt, Vorwarnungen der Stufe 3 und 4 für einen grossen Teil der Schweiz auszugeben. Dies wurde im Blog vom selben Tag beschrieben. Am Samstag den 29. Juni haben sich in einem einen Grossteil der bewarnten Regionen Gewitter entwickelt, wobei ihre Stärke und Auswirkungen regional unterschiedlich waren. Besonders betroffen waren die Kantone Tessin und Wallis.

Auf Grund der erheblichen entstandenen Personen- und Sachschäden führt MeteoSchweiz eine detailliertere Analyse dieses Ereignis aus. Die Ergebnisse werden in einem technischen Bericht veröffentlicht, welcher in den kommenden Monaten erscheint.


Blitzeinschlag in der Genferseeregion im August 2018.

 

Quelle: Bundesamt für Meteorologie MeteoSchweiz / Gewitterlage: Potential, Vorwarnung und kurzfristige Warnung vor eintretenden Gewittern – MeteoSchweiz (admin.ch)
Titelbild: D. Gill